Ein paar simple Fragen an Lasse Rheingans
Hallo Lasse. Danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview genommen hast.
Nach dem ganzen Medienrummel und der Organisation was die 5-Stunden-Revolution betrifft, hast Du Deine persönliche Work Life Balance auf die Reihe bekommen? Was ja auch Dein Ziel war, wie man aus dem Buch entnehmen kann.
Mal mehr, mal weniger. Zum normalen Tagesgeschäft kommen Veranstaltungen, Impulsvorträge, etc. on top, was ich gerne mache, da ich Wandel antreiben und voranbringen möchte, aber natürlich auch viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber ja, ich nehme mir regelmäßig bewusst Zeit für meine privaten Interessen, weil ich heute verstanden habe wie wichtig das ist, uns das dafür auch mal andere Dinge warten können.
Heute nach 3 Jahren kannst Du sagen, dass es eine Bereicherung für Dich und Deine Mitarbeiter ist die Stundenzahl runtergeschraubt zu haben? Es sind ja auch einige Fehler passiert, woraus Ihr natürlich alle gelernt habt und musstet, wie Euch Martin Johnsson erklärt hat.
Dadurch, dass wir die Stundenzahl konsequent und radikal runtergeschraubt haben, haben wir auch schnell offen gelegt, welche Prozesse nicht funktionieren und welche Störfaktoren und Zeitfresser es generell und in den einzelnen Workflows gibt. Eine Bereicherung ist es in jedem Falle: Wir haben alle gelernt, effizienter und produktiver zu arbeiten und können den Nachmittag für private Belange und Erholung nutzen. Und: wie wichtig es ist, die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu kennen, damit jeder seine Potential maximal entfalten kann.
Du zitierst sehr oft Henry Ford in Deinem Buch. Können wir Deiner Meinung nach davon ausgehen, dass das analoge Dasein gemixt mit dem digitalen eine Lösung für die Firmen sprich auch die Menschen selber ist? Alle sprechen von digitaler Transformation und den Social Media. Der Mensch sollte doch eigentlich im Mittelpunkt stehen.
Der Mensch muss in jedem Fall immer im Mittelpunkt stehen. Vor allem erfolgreiches Leadership fängt bei der Einstellung und der Haltung die Menschen zu gewissen Dingen haben an. Wir müssen alle wieder lernen menschlicher zu werden. Es ist okay Fehler zu machen und wir sollten alle einen wertschätzenden Umgang miteinander pflegen, das bedeutet nicht nur Lob auszusprechen, sondern auch die Bedürfnisse des Gegenübers zu respektieren und daraus eine optimale Art für die Zusammenarbeit abzuleiten. Roboter können sehr gut repetitive Aufgaben, die keine Wissensarbeit verlangen, übernehmen. Die Kreativität und Innovation jedoch, werden Roboter niemals so gut können, wie wir Menschen. Dafür gilt es ein Umfeld zu gestalten, indem Mitarbeiter bestmöglich arbeiten, sich wohlfühlen und ihre Potentiale entfalten können. Deshalb ja, der Mix aus digitalen Prozessen und dem analogen Dasein des Menschen kann definitiv eine Lösung für Firmen sein.
Ich lese sehr oft, dass Du zu Podiumsdiskussionen eingeladen wirst. Die Menschen sind ja neugierig: “Wer ist der Mensch der das umgesetzt hat?”. Gibt es tatsächlich einige Fortschritte auch wenn sie klein sind? Bekommst Du positive sowie negative Feedbacks?
Es gibt tatsächlich schon Leute, die den 5-Stunden Tag bei sich (phasenweise) eingeführt haben und ihn getestet haben, weil sie offen und neugierig genug waren und den Mut haben, Arbeit neu zu denken. Aber natürlich gibt es auch diejenigen, die sagen, ich würde eine blumige heile Welt vorgaukeln und der Meinung sind, dass eine Produktivitätssteigerung durch Arbeitszeitverkürzung nicht funktionieren kann. Das ist aber auch okay, ich möchte ja gar nicht, dass alle den 5-Stunden-Arbeitstag bei sich einführen. Ich möchte aber das Mindset in den Köpfen der Menschen ändern: Wir müssen unsere Arbeitsumfelder an die heutige Zeit und den Herausforderungen anpassen: wir müssen Arbeit neu denken!
Im Buch sprichst Du auch von der Diversity. Ein Thema was uns bei #hygge mächtig interessiert. Glaubst Du, dass die Firmen damit überfordert sind Time-Management, Diversity Management und vielleicht dann noch Employer Branding in die Firmenstruktur zu integrieren? Könnte da der Grund die Angst sein aus der gewohnten Umgebung (sprich Komfortzone!) raus zu müssen?
Auf jeden Fall. Veränderungen bedeuten immer auch, dass man den Mut und den Willen haben muss, auch wirklich etwas zu verändern. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und treten Neuem erstmal kritisch gegenüber. Aber ja, wir müssen über unseren Schatten springen. Die Welt ist heute eine Andere als noch vor 10 Jahren oder gar 20 oder 30 Jahren. Die Arbeitsmodelle sind aber weitestgehend noch gleich. Das ist ja schon ein Widerspruch an sich. Heute bestehen die Arbeitnehmer aus anderen Generationen mit anderen Werten und anderen Bedürfnissen. Employer Branding war zum Beispiel noch nie so relevant wie heute in Zeiten des Fachkräftemangel. Mein Tipp: In kleinen Schritten Veränderungen zulassen, dann ist der Kontrast nicht ganz so hart.
Im ersten Kapitel Deines Buches hast Du eine Überschrift “ Wer zwingt uns eigentlich, zwischen mehr “mehr Geld” und “mehr Zeit” zu wählen?” ausgewählt. Dieses Statussymbol “Geld” hat nach wie vor eine enorme Wichtigkeit in unserer Gesellschaft. Wenn es dann zum Burnout kommt, wird Deiner Meinung nach da hinterfragt was denn wirklich wichtig ist: Zeit oder Geld?
Wenn ich einen Burnout habe, bringt es mir nichts, wenn ich Geld habe. Dann brauche ich Zeit: Zeit, um mich mit mir und meinen Problemen auseinanderzusetzen, damit ich selbst heilen kann. Natürlich brauchen wir alle Geld, um uns versorgen zu können gibt es natürlich sicher eine „Baseline“ an Grundgehalt, was zum Leben notwendig ist. Aber die wirklich schönen Dinge im Leben erlebe ich doch, wenn ich Zeit habe mit Freunden oder Familie verbringe. Und da ich mir Zeit nicht von Geld kaufen kann, schenke ich meinen Mitarbeitern Zeit, die sie für private Interessen nutzen und sich erholen können. Davon profitieren am Ende übrigens dann auch wieder die Firmen, den Mitarbeitenden mehr Zeit schenken, da sie so zufriedene, gesunde und glückliche Mitarbeiter an Bord haben.
Wenn Du von der Generation Y sprichst, wo Du ja auch dazu gehörst, haltet Ihr auch in 20 Jahren an Euren Werten fest oder sprecht Ihr dann wie die heutigen “Boomer”?
Ich halte eine Anpassungsfähigkeit für wichtig und ich glaube nicht, dass wir aufwachsen und plötzlich „alles wissen“ oder vollumfänglich Bescheid wissen. Wir lernen doch alle täglich neues, wenn wir uns darauf einlassen. Daher hoffe ich, dass ich auch weiterhin offen für Neues bin, was sich zwangsläufig auch auf mein Erleben und meine Werte auswirken wird. Die unterschiedlichen Ansichten der Generationen haben sich ja weitestgehend durch deren unterschiedliches Aufwachsen entwickelt. Ich denke, wir sollten alle offen dafür sein, dass Menschen unterschiedlich sind und das aber auch völlig ok ist.
#hygge dankt Dir nochmals für dieses klasse Interview. Alles Gute Laase!